Trotz der erneuten Anschläge in Frankreich ist Islamismus im NRW-Innenausschuss auch weiterhin kein Thema. Islamisten, die zur Polizei wollten, wurden bei der Tagesordnung am Donnerstag geschickt dem Themenkomplex Rechtsextremismus zugeordnet.

Nur Stunden nach den Meldungen über erneute islamistische Terror-Anschläge in Frankreich kam am frühen Donnerstagnachmittag der Innenausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags in Düsseldorf zu seiner regulären Sitzung zusammen. Das große Medieninteresse an dieser Sitzung resultierte aber nur aus der Debatte über Rechtsextremisten bei den NRW-Sicherheitsbehörden. Als dieser Tagesordnungspunkt (TOP) nach rund 80 Minuten abgehandelt war, verließen fast alle Medienvertreter den Sitzungssaal wieder. Das Thema Islamismus spielte im Ausschuss, wie schon in den Monaten zuvor, keine Rolle mehr.
Dabei hätte eigentlich im TOP 12 ein Bericht der Landesregierung erörtert werden sollen. 2019 und 2020 wurde jeweils einem Islamisten die Einstellung bei der Polizei verweigert, nachdem diese durch die Regelabfrage beim Verfassungsschutz aufgeflogen waren. „Zum einen ist dieser Bezug durch Teilnahme an entsprechenden Veranstaltungen und durch enge Kontakte mit teils führenden Protagonisten der salafistischen Szene gegeben, zum anderen durch eindeutige Äußerungen und die Einstellung von den Jihad verherrlichenden Postings in sozialen Netzwerken“, hieß es dazu in dem Bericht.
Zu Beginn der Sitzung kündigte der Ausschussvorsitzende Daniel Sieveke (CDU) jedoch an, diesen Tagesordnungspunkt zusammen mit zwei anderen Punkten dem TOP Rechtsextremismus zuzuordnen. Damit fand keine weitere Erörterung mehr dazu statt. Lediglich die frischgewählte Grünen-Fraktionsvorsitzende Verena Schäffer ging auf diesen Punkt ein. Allerdings nur in der Form, dass sie der Landesregierung vorwarf, es gebe „keinen einzigen Fall im Bereich Rechtsextremismus, den Sie durch die Regelanfrage herausgefischt haben“. Schäffer behauptete kurz darauf, die Regelanfrage beim Verfassungsschutz sei unbrauchbar, da sie „bei rassistischer Grundhaltung versage“. Zu den beiden Islamisten, die sonst bei der Polizei gelandet wären, sagte sie dabei nichts.
Zunehmende politische Verdrängung des Themas Islamismus
So wichtig es ist, rechtsextremes Gedankengut und Umtriebe in den Sicherheitsbehörden aufzudecken, darf dies jedoch nicht – insbesondere an einem solchen Tag – den gesamten Raum einnehmen. Die offensichtliche Verweigerung, sich des Themas Islamismus politisch in angemessener Form zu widmen, ist bequem und vereinfachend, hat aber fatale Folgen. Islamisten im Pool des Rechtsextremismus verschwinden zu lassen, möglichst wenig über Islamismus zu reden, islamistische Vereine nach Möglichkeit nicht zu benennen, macht Islamisten nicht nur unsichtbar. Sondern es befördert genau den fatalen Opferdiskurs breiterer muslimischer Kreise, der eine Polarisierung der Gesellschaft vorantreibt. Wenn die Islamisten oder der Islamismus nicht mehr als Problem etwa in Ausschüssen diskutiert werden, obwohl sie auch da sind, müssen sich Muslime nicht nur nicht mehr mit den Problematiken ihrer eigenen Gemeinschaft befassen. Sondern sie fangen an, nur in der Mehrheitsgesellschaft und ihren Institutionen sowie deren Repräsentanten das Problem zu sehen. Das passt nahtlos zur Mär von der Diskriminierung als vorrangige Ursache für Radikalisierung und für radikales Handeln.
Die notwendige innermuslimische Debatte wird damit unwahrscheinlicher, da sie als unnötig wahrgenommen wird. Und natürlich sucht man „Schuldige“ lieber in einer anderen Gruppe als der eigenen. Man sucht das Problem nur noch in der westlichen Gesellschaft, was ebenso perfekt zu mancher pauschalen Gesellschaftskritik passt. Islamistische Ideologen und Anheizer haben auf dieser Basis leichtes Spiel. Auch im Verbund mit den Reden vom „strukturellen Rassismus“, der angeblich – unbenommen einiger sicher noch zu verbessernde Umstände – allerorten vorhanden ist und wiederum angeblich vor allem Muslime zu beeinträchtigen scheint, glaubt man den Lobbyisten, wird weiter der Keil zwischen Muslime und Nicht-Muslime getrieben. Die kurzfristige Bequemlichkeit mancher Politiker ist also sehr teuer erkauft. Zahlen werden diesen Preis jedoch nicht jene Politiker. Sondern einzelne, die ebenso kollektiv dann der strukturell-rassistischen Gruppe zugeordnet werden. Da braucht es keine eigene Schuld mehr, kein eigenes Vergehen. Wenn es ein Opfer-Kollektiv gibt, muss es auch ein Täter-Kollektiv geben. Und dann ist jeder ein legitimes Ziel, der diesem Kollektiv angehört.
An diesem Punkt schließt sich der – zugegeben – weite Kreis. Wer eine Methode wie die Regelabfrage nur dann für tauglich erachtet zur Erkennung von Problemfällen, wenn das von ihm erwartete Ergebnis geliefert wird, möchte nicht die Sicherheitsbehörden „sauber“ halten, sondern sein Vorurteil bestätigt sehen. Dieses Vorurteil aber teilen jene, die Extremismus nur als rechten Extremismus sehen wollen – mit den Islamisten.