Das salafistische Weltbild ist bekanntermaßen ein rückwärtsgewandtes: Alles, was man wissen muss, wurde bereits geschrieben und geregelt. Die Welt hat keinen eigenen Zweck oder vielleicht sogar gar keinen, sondern ist Bewährungszeit und -ort für die Ewigkeit im Paradies. Das ist das wirkliche „Leben“, das es um fast jeden Preis zu sichern gilt. Ansonsten geschieht nichts ohne göttlichen Willen. Auch in der realen Welt völlig sinnlose Dinge werden mit einem imaginierten, religiös begründeten Sinn versehen. Man muss – da man alles wörtlich nimmt – die Stellen im Korantext nur auffinden und anwenden oder eine entsprechende Gewohnheit des Religionsgründers ausfindig machen.
Da wir in einer modernen und komplexen Welt leben, führt das zu einigen Schwierigkeiten: Wie sind die Gewohnheiten und manche – auch bizarre oder schädliche – Vorschrift aus dem 7. Jahrhundert auf heutige Zeiten anwendbar? Schon im noch vergleichsweise einfachen Bereich der Körperpflege wird es kompliziert.
Hier ist es noch einfach.
Ist Parfüm erlaubt?
Ist Augenbrauen zupfen ein Weg in die Hölle?
Eher ja, meint der Herr Rouali. Das führt dann zu solchen verwirrten Statements wie diesem einer jungen Frau, die offenkundig ein Buch mit festen Regeln selbst für Alltäglichstes braucht:
https://www.youtube.com/watch?v=hCpUMGw0DW0
[Sobald die junge Frau dann mitbekommen hat, dass auch Musik meist als haram gilt, wird dann wohl auch die Gitarre entsorgt…]
Bei Dingen, für die es keine Entsprechung aus früheren Zeiten gab, die also echte Neuerungen sind, wird es oft besonders verwegen. Und nicht selten auch unfreiwillig komisch.
Make up:
Aus diesem Beitrag hat der Herr Rouali dann auch unter „Besondere Regeln für Frauen“ einen Mehrteiler gemacht, in dem er sich stundenlang dazu auslässt.
Oder Nagellack:
Es gibt dazu viele weitere Beiträge, die aber ähnlich sind: Die muslimische Frau schminkt sich nicht! Es macht das Gebet ungültig (mindestens) und da man dauernd betet, kommt man in einen Gebetserfüllungs-Stau, man darf ja nachholen. Bis eine Muslima nach diesen Regeln außer Haus kann, dauert es, alles will beachtet werden. Andernfalls droht verdammnis.
Wie in diesem Lebensbereich so gibt es detaillierte Herleitungen zu vielen anderen. Die Welt ist unterteilt in verboten (haram) und erlaubt (halal) und der Salafist oder die Salafistin sind ständig in Gefahr, das kostbar durch Askese gewonnene Paradies wieder zur Disposition zu stellen.
Das Leben ist schwierig, es lauern überall Fallen, die in die Hölle führen können, auch wenn ein Außenstehender diese Handlungen für ganz harmlos hält. Diese ständige Furcht, etwas falsch machen zu können, stellt etwas mit den Menschen an. Aus dem eigentlichen Antrieb so mancher, in der Religion ein Mittel zur Angstabwehr durch Komplexitätsbeschränkung und Abnahme von Entscheidungen zu haben, wird ein selber angsterzeugendes Phänomen. Es führt in eine Art Zwangsneurose. Es ist beständig Angst da und nur durch ein (im Grunde sinnloses) Ritual kann vorübergehende Angstfreiheit erzielt werden.
Da das auch alles festgehalten wird durch – nach Atheistensicht – imaginierte Buchführungs-Engel, bleibt nichts unbeobachtet. Eine Art göttliche Bürokratie mit lebenslangem Archiv. Das allerdings ist – wiederum nach Atheistensicht – eigentlich schon eine Privathölle zu Lebzeiten.