Am 17. und 18. Februar fand in Berlin die „1. Fachtagung zum Thema Praktische Imamausbildung“ statt. Bei dieser „Fachtagung“ traten als Referenten Akteure aus dem Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft auf, unter anderem von Berliner Einrichtungen, die unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen. Trotzdem wurde die Veranstaltung vom Berliner Senat unterstützt.

Die „Deutsche Islam Akademie“ veranstaltete am 17. und 18. Februar in Berlin eine „Fachtagung“ zur Imamausbildung. Dem Programm der Tagung kann entnommen werden, dass diese vom Berliner Senat unterstützt wurde. Das Tableau der Referenten ist bemerkenswert: Neben Lydia Nofal, die mit dem Verein Inssan seit langem im Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft wirkt, traten der Imam Taha Sabri von der Neuköllner Begegnungsstätte sowie Ferid Heider vom Teiba-Verein auf. Beide Einrichtungen sind dem gleichen Spektrum zuzuordnen. Alle drei wurden mit ihren Vereinen auch schon in Verfassungsschutzberichten des Landes Berlin erwähnt.
Auch der Referent Ali Özgür Özdil ist offen für Anregungen aus dieser Richtung. Ender Cetin hingegen, ein weiterer Referent, war an der Berliner Sehitlik-Moschee tätig, einer DITIB-Moschee, und ist der Gatte der „Akademie“-Leiterin. Funda Fidan ist Vorsitzende des „Interkulturellen Instituts für Inklusion“. Das „Institut“ ist ein Verein, nach dessen Eigenangabe Özdil Mitgründer war und der seit Mitte 2017 eingetragen ist. Den Verein findet man bei Veranstaltungen bei Einrichtungen, die dem Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft zuzuordnen sind; aber auch bei der ATIB und gelegentlich bei der DITIB gestaltet man Veranstaltungen mit.* Referenten bei Veranstaltungen dieses „Instituts“ sind auch immer wieder Personen aus dem Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft, etwa Ferid Heider oder der Islamologe Yusuf Dreckmann.**
Wer steht hinter der „Deutschen Islam Akademie“?
Wer steht nun hinter dem klangvollen Namen des Ausrichters der Tagung? Die „Deutsche Islam Akademie“ (DIA) ist ebenfalls ein Verein. Eingetragen ist er seit Anfang 2018. Verantwortliche des Vereins sind laut Vereinsregister Pinar Cetin als Vorsitzende, Stellvertreterin ist Gülhanim Karaduman-Cerkes, als Schriftführerin zeichnet Feride Aktas. Der Kassenwart ist Murat Künar. Alle vier sind oder waren der Berliner Sehitlik-Moschee zuzurechnen, das heißt, sie traten für diesen Verein in Funktion auf. Die Vorsitzende und die Stellvertreterin arbeiteten und gestalteten gemeinsam an der Sehitlik-Moschee die mittlerweile eingestellte Beratungsstelle Bahira. Diese wurde zusammen mit dem Präventionsverein Violence Prevention Network (VPN) betrieben sowie anfänglich auch mit dem Zentralrat der Muslime. Auch Aktas war bei VPN. Ender Cetin ist der Ehemann von Pinar Cetin und war früher Vorsitzender des Vereins, der die Sehitlik-Moschee betreibt. Eine Selbstdarstellung der DIA findet sich auf der Facebook-Seite des Vereins.
Der Sozialdienst muslimischer Frauen, der mit Ayten Kilicarslan auch eine Referentin zu der Tagung beigesteuert hat, tritt eher säkular auf, hat aber offenbar wenig Berührungsängste zu radikalen Akteuren, etwa zu Ferid Heider. Ebenso die Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft, die tatsächlich an einer Universität angesiedelt ist. Die Teilnahme der mit erheblichen Mitteln geförderten Einrichtung dürfte – trotz aller Dialogbeflissenheit – dazu gedacht sein, problematischen Akteuren wie Ferid Heider einen seriösen Anstrich zu geben. Denn wollte man wirklich, dass Ferid Heider die „praktische Imam-Ausbildung“ mitgestaltet? Der als Referent im Programm benannte Geschäftsführer der Akademie, Jan Felix Engelhardt, muss sich fragen lassen, warum er, sofern die Angabe im Programm zutrifft, für eine solche Veranstaltung zur Verfügung stand. Nicht überall, wo Akademie draufsteht, ist auch eine solche Akademie wie seine drinnen. Und nicht alles, was sich Akademie nennt, schmückt den Referenten.
Nun ist die Selbstbezeichnung „Akademie“ ebenso wie der Begriff „Institut“ nicht geschützt. Eine solche Benennung eines simplen Vereins ist ebenso erlaubt wie die Nutzung der Vokabeln „Stiftung“, „Gesellschaft“ oder „Institut“. Die Nutzung solcher großsprecherischen Eigennamen ist auch nicht auf den Bereich des politischen Islams beschränkt, sondern seit langen zum Beispiel aus dem Scharlatanbereich bekannt. Nur würde es in diesem Bereich kaum einen Wissenschaftler geben, der ernst genommen werden will und der auf seine Reputation achtet, aber gleichzeitig beispielsweise für Quacksalber-Tagungen zur Verfügung steht. Als Chef des Robert-Koch-Instituts schmückt man zum Beispiel keine Impfgegner-Konferenz, eben weil sich diese Menschen dem Schutz der Allgemeinheit verweigern und dies mit unsinnigen Argumenten tun.
Grußworte eines Senats-Beauftragten
Anders bei dieser Tagung: Für eines der Grußworte war ein Vertreter des Senats, Hartmut Rhein, vorgesehen. Rhein ist „Beauftragter für Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften“ des Berliner Senats, da mag das noch zum Tätigkeitsfeld zugehörend sein. Auch er muss sich fragen lassen, ob ihm die Referenten unbekannt waren oder er in vollem Wissen handelte. Besonders problematisch ist auch, dass für die Veranstaltung der Direktor des neuen Berliner Instituts für Islamische Theologie, Michael Borgholte, ebenfalls zur Verfügung stand. Borgholte sorgte zusammen mit Engelhardt erheblich für den universitären Anstrich der ganzen Veranstaltung.
Solche gemeinsamen Aktivitäten mit Personen von Organisationen, die – meiner Meinung nach berechtigt – unter Beobachtung stehen, werden von Verfassungsschutzbehörden als „Entgrenzung“ bezeichnet. Zweck der Entgrenzung ist es, die Grenzen zwischen dem extremistischen und dem bürgerlich-demokratischen Milieu verschwimmen zu lassen. Entgrenzung ist beim islamischen Extremismus die Paradedisziplin der Muslimbruderschaft, die aber auch andere Akteure des politischen und extremistischen Islams mittlerweile als nützliche Strategie erkannt haben. Entgrenzung, getarnt als Teilhabe, ist der Weg zu gesellschaftlicher Anerkennung – und damit auch zu öffentlichen Mitteln.
All diejenigen, die mitmachten bei dem Mummenschanz, müssen sich fragen lassen, ob sie prinzipiell die „praktische Imamausbildung“ etwa bei der Muslimbruderschaft in guten Händen wähnen. Und der Senat muss sich fragen lassen, ob die Unterstützung über das Ideelle hinausging und wenn ja, warum das unterstützt wurde.
*
Bei dem Hamburger „Institut“ (Islamisches Wissenschafts- und Bildungsinstituts e. V.), dessen Gründungsvorsitzender er lange war (nunmehr Stellvertreter) handelt es sich ebenfalls um einen Verein.
**
Siehe dazu auch:
Unten zu einem Islamologenverein und neuer Islamologenverein